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Manchmal verdecken dunkle Wolken die Sonne ...

... und doch scheint sie jeden Tag!

Yannick

Vor ein paar Jahren bin ich zufällig auf die Internetseite von „Leben ohne dich“ gestoßen. Ich fand die Seite und das Thema sehr interessant, doch nur schon der Gedanke, ich könnte bzw. muss einmal meine beiden Brüder verlieren, war für mich nicht zu ertragen.


Seit eineinhalb Jahren aber, muss ich diesen Gedanken nicht nur ertragen, sondern auch damit leben. Mein zwei Jahre älterer Bruder Yannick wurde im September 2011, eine Woche nach seinem 24. Geburtstag, von einem Auto überfahren.


Seit diesem Tag hat sich mein Leben komplett geändert. Als der Polizist mir an dem Morgen mitgeteilt hat, dass Yannick tot ist, riss es mir den Boden unter den Füßen weg. Ich hatte das Gefühl sofort in ein emotionales Chaos zu stürzen: Ich konnte nicht weinen, doch es fühlte sich an als ob Jemand mein Herz zerrissen hätte.. Mir war gar nicht wirklich klar, was passiert ist; doch ich wusste nur, dass es sich ganz schlimm anfühlt. Besonders in der ersten Zeit nach Yannicks Tod habe ich mich so schutzlos, hilflos und schwach wie ein kleines Kind gefühlt und dabei  musste ich versuchen stark zu sein um die ganze Situation meistern zu können.


Obwohl stets viele Menschen um mich herum waren, fühlte ich mich so allein. Hätte ich doch gerade Yannick in so einer Situation an meiner Seite gebraucht. Mein Bruder und ich waren uns sehr nahe. Wir sind erst vier Monate vor seinem Tod von Zuhause aus in eine WG mit einem gemeinsamen Freund gezogen. Yannick war nicht nur mein Bruder; seit dem Tod unseres Vaters 1999 war er mein engster Vertrauter. Wir haben so viel Zeit miteinander verbracht und von heute auf morgen war er einfach weg. Nicht mehr da, nicht mehr bei uns. Ich vermisse Yannick seit der ersten Sekunde und denke oft an all die schönen Dinge die wir zusammen gemacht haben. Seine Nähe fehlt mir sehr und so gerne würde ich ihn noch einmal umarmen, sein „ Ich hab dich lieb, Kleine“ hören, einen Schmatzer auf die Wange von ihm bekommen, zusammen über Witze lachen oder auch mit ihm streiten. Einfach ihn, als meinen großen Bruder bei mir haben. In der Nacht bevor wir sein Zimmer ausgeräumt haben, habe ich ein letztes Mal in seinem Bett geschlafen und es hat so gut getan einfach noch einmal seinen Geruch wahrzunehmen und sich ihm Nahe zu fühlen.

 

Yannick und Arlette

In der Anfangszeit nach seinem Tod hatte ich große Angst davor seinen Verlust nicht ertragen zu können und meine Trauer nicht  richtig zu verarbeiten. Ich fühlte mich so vierwirrt. So dreht sich die Welt weiter obwohl meine eigene Welt stehen geblieben ist und ich fad es sehr schwer beide Welten zu vereinen. Auf der einen Seite war ich total zurück geworfen und es war schon so  anstrengend überhaupt aufzustehen und einen Tag zu bewältigen. Und auf der anderen Seite ist da die Welt, die in ihrem ganz normalen Tempo weiter geht ohne auf mich zu warten, Und da nicht den Anschluss zu verlieren war nicht sehr einfach. Aber ich wollte so sehr  wieder in die sich drehende Welt.


Und dabei musste ich erst einmal erkennen, dass mir niemand, außer ich mir selbst, meine Trauer und den Schmerz abnehmen kann. Also suchte ich mir eine Therapeutin, Selbsthilfe- und Trauergruppen und ganz viel Bücher zu diesem Thema um langsam wieder klar zu werden. Denn ohne Hilfe, wusste ich, würde ich das nicht schaffen.


Ich habe gemerkt, dass auch diese ganzen Menschen meinen Schmerz nicht verschwinden lassen konnte, aber mittlerweile habe ich gelernt mit ihrer Unterstützung meine Trauer zu bearbeiten. Ich musste bzw. muss zwar alleine durch meine Trauerarbeit, doch weiß ich auch  wie dankbar ich meinen liebsten Menschen für ihre Unterstützung  sein kann und auch muss. Durch viele Erzählungen habe ich gehört und mitbekommen, dass es nicht selbstverständlich ist, so verständnisvolle und tolle Menschen bei sich zu haben. Und es ist auch nicht selbstverständlich, denn vor allem bei einem so plötzlichen Tod wie bei Yannick, ist die Situation meistens für Alle neu und auch schwer.


Mein Freund ist seit dem Moment als wir von Yannicks Tod erfahren haben, quasi nicht mehr von meiner Seite gewichen. Er versteht meine Gefühlsausbrüche und kann mich so wunderbar beruhigen. Er ist einfach immer da für mich und macht mich sehr glücklich.
Bei meinem  großen Bruder und seiner Frau habe ich die ersten Wochen gewohnt und das hat uns sehr zusammen geschweißt. Wir haben zusammen gehalten und er ist derjenige, der mir zeigt nicht aufzugeben und immer weiter zu kämpfen.


Auch die schwerstbehinderte Frau die ich betreue und ihre Familie haben mir in dieser Zeit sehr geholfen.  Durch sie habe ich gelernt, mein Schicksal als Herausforderung anzunehmen und mein neues Leben mit den besten Möglichkeiten und einem Lachen zu gestalten.


Und auch meine besten Freunden/ Verwandten und meiner Mutter bin ich so dankbar, dass sie MIT mir durch die schwere Zeit gehen, obwohl auch sie dabei betroffen sind, als Yannick gestorben ist.
Natürlich gab und gibt es auch viele Menschen, die mein Leben durch ihr Verhalten erschweren, aber die versuche ich gar nicht mehr zu beachten. Solche Leute sind es nicht nach ihnen zu schimpfen. Da schätze ich mich lieber über jeden einzelnen guten Menschen in meinem Leben glücklich.

Arlette und ihre Brüder

Mein Leben mit diesem Schicksal ist ganz und gar nicht einfach. Ich vermisse Yannick jeden Tag und oft ist es schwer  einen Weg zwischen tiefer Trauer und Freude zu finden.


Wenn ich dran denke, dass ich meinen Bruder nie wieder lebendig sehen darf zerreißt der Schmerz mir wieder mein Herz. Doch durch diesen großen Verlust habe ich auch gelernt mein Glück wieder mehr zu schätzen! Ich bin sehr glücklich und dankbar, dass ich Yannick als meinen Bruder in meinem Leben bei  mir haben durfte. Auch wenn es vielleicht nur 24 Jahre bei ihm waren, war die Zeit mit ihm wunderbar und kostbar und ich möchte nichts davon missen. Ich versuche mein Leben wieder mit schönen Erinnerungen, tollen Erlebnissen und positiven Gedanken zu gestalten. Ich bin oft genug traurig und so bringt es mit persönlich nichts mir noch mehr traurige oder negative Gedanken zu machen. Die Tatsache, dass Yannick gestorben ist kann man nicht schön reden aber ich kann mein Leben schön gestalten.  Es ist nicht einfach mein persönliches Glück nicht aus den Augen zu verlieren, aber ich liebe mein Leben und ich liebe es zu lachen und deshalb versuche ich viel dafür zu tun damit es Spaß macht und ich hoffnungsvoll und freudig in die Zukunft blicken kann.

Jeden Tag spüre ich, dass Yannick bei uns ist und darüber freue ich mich.

Du fehlst mir! Ich liebe es an dich zu denken, denn ich liebe dich! Danke, dass du mein Leben all die Jahre so bereichert hast und du es auch nach deinem Tod immer nach machst!

Deine Arlette

 

Leben ohne Dich, Ausgabe 13, Juli 2013

Kommentare: 0
Kommentare: 1
  • #1

    Ute (Freitag, 26 April 2024 12:55)

    In meinem Fall ist es sehr schwer über die Geschichte zu schreiben, denn es kommen einfach sehr viele Faktoren hinzu, die benso unwahrscheinlich wie traurig sind. Ich war auf den Tag genau zwei Jahre alt, als wir meine kleine Schwester tot in ihrem Bett fanden. Wir waren gerade dabei meine Geburtstagstorte zu backen. Das Bild von der Torte, die zur Hälfte am Boden lag, sowie andere schreckliche Bilder werde ich nie vergessen, obwohl ich so jung war. Wir, meine Mutter, meine 4 Jahre ältere Schwester und ich, wollten zusammen meine jüngere Schwester, die erst ein halbes Jahr alt war aus dem Bett holen, meine Mutter war noch froh, daß sie so lange geschlafen hatte, weil sie sich dann besser um meinen Geburtstag kümmern konnte. Ich war im Grunde zu jung, um zu vestehen was das alles bedeutete, ich sah meine Schwester mit einer seltsam bläulich-violetten Haut im Bett liegen und meine Muter in Panik geraten, es kamen iregndwelche Leute, die meine Schwetsre mitnahmen und sie kam nie mehr zurück. Wenn ich meine Mutter fagte sagte sie mir, sie wäre im Himmel und es wäre alles gut, aber sie war einfach nicht mehr da, zusammen mit meiner Mutter, die war auch irgendwie nicht mehr da. Ich hatte meine kleine Schwester in der Nacht schreien hören und sagte immer wieder, daß Anke weint, weil ich es nicht anders ausdrücken konnte. Ein halbes Jahr später verließen wir unseren Heimatort, weil meine Eltern es dort nicht mehr aushielten. Meine Mutter war den rest meienr Kindheit uns Jugend nur noch überfordert und eher Kind als Mutter, mein Vater wurde mit der Zeit immer gewalttätiger. Wir waren ein mal nach der Beerdigung mit meiner Mutter am Grab meiner Schwester, das war einige Wochen nach ihrer Beerdigung, Und ich erinnere mich bis heute exakt an diesen tag, es war sonnig, es standen Gänseblümchen auf der Wiese nahe dem Grab und ich dand eine halbe Walnussschale, die ich mit Erde füllte, ein paar Gänseblümchen hinein tat und meiner Schwester auf ihr kleines Kindergrab stellte. Ich möchte nicht im Einzelnen beschreiben, wie schrecklich meine restliche Kindheit war. Was ich aber sagen kann ist, daß ich mich nie davon erholt habe, meine Schwester bis heute vermisse und nicht weiß was für ein mensch sie geworden wäre, ob sie heute Kinder hätte, daß einfach zu viele Fragen offen geblieben sind, die mich unendlich traurig machen.